Studienauftrag auf Einladung: 2023 (1. Preis Gebäude H)
Bauauftraggeberschaft: Cham Group
Mitarbeit Wettbewerb: Marvin Franz (Projektleitung), Moritz Schmidlin, Lea Frauenfelder, Fanni Müller
Tragwerk Wettbewerb: ZPF Structure AG
Mitarbeit Planung: Julia Geissler (Projektleitung), Marvin Franz, Nicola Moos
Zwei Hohe Häuser
Die vierte Etappe der neuen Bebauung des Papieri-Areals in Cham umfasst zwei weitere Bausteine des Bebauungsplans „Papieri-Areal, Cham“. Auf dem historischen Areal des ehemaligen Industriestandortes entsteht über einen längeren Zeitraum ein neues Quartier zum Arbeiten und Wohnen.
Urbanes Wohnen am Trafoplatz (Haus H)
Das Haus H am Trafoplatz bildet einen markanten Abschluss der neuen urbanen Achse vom Kesselhaus zum Silogebäude. Mittels Überhöhung der Gebäudeecken im Attikageschoss, einen in den Gebäudekörper eingeschnittenen Dachgarten, übereinanderliegende Wohnungsloggien und zweigeschossige Aussenstützen im Erdgeschoss wird eine vertikal gegliederte Schaufassade zur Arealachse ausgebildet.
Die Seitenfassaden werden durch die auskragenden Balkone der Wohnungen und die Seitenarkaden plastisch überformt. Das Haus bildet zusammen mit den historischen Gebäuden Durolux und Trafo, die zu Gewerbehäusern umgebaut werden, ein neues Platzensemble.
Die Wohnungen, geplant für ein urbanes Publikum, sollen für unterschiedliche Lebenssituationen anpassbar und je nach Jahreszeit flexibel nutzbar sein. So kann jeweils ein individuelles Schlafzimmer über eine Doppelflügeltüre dem Wohnraum zugeschlagenen werden. Der im Raumprogramm geforderte grosszügige Balkon ist als Wintergarten mit vorgelagertem Aussenbalkon ausgebildet. Er agiert als flexibler Scharnierraum zwischen dem Innen und Aussen und kann je nach Positionierung der Faltwände in der Winterzeit dem Wohnraum, im Sommer dem Balkon zugeschlagen oder als autonomer Raum genutzt werden. Der Wohnraum der Eckwohnungen vergrössert sich bei den südorientierten Wohnungen mittels des Wintergartens und bei den nordseitigen Wohnungen durch eine durch Vorhänge abtrennbare Wohnnische zu einer l-förmigen Raumfigur, die sich über Eck zu zwei Gebäudeseiten ausrichtet.
Im obersten Geschoss finden sich neben sechs kleineren Wohnungen, auf der Südseite die gemeinschaftlich nutzbaren Räume. Um einen grosszügigen Dachgarten für alle BewohnerInnen lagern sich ein Co-Workingspace und ein Gemeinschaftsraum mit Küche.
Lisenen, auskragende Balkone oder eingezogene Veranden aus vorfabrizierten Betonelementen bilden zusammen einen Fassadenbaukasten. Je nach Ausrichtung oder Verschattung können die Brüstungen mit grünlichen Photovoltaikelementen oder geriffelten Gläsern verkleidet werden. Gestreifte Markisen - bei den Schlafzimmern als vertikale Zip-Markise, bei den Loggien als windresistente Vertikal-Ausstellmarkise mit Gasdruckfeder – verleihen der geordneten Fassade einen heiteren und wohnlichen Ausdruck.
Das Tragwerk besticht durch ein einfaches und klares Konzept, welches über alle Geschosse konsequent umgesetzt wird. Der Stahlbetonskelettbau besteht aus vollständig vorgefertigten Betonstützen und Unterzügen, die quer zum Gebäude orientiert sind. Das daraus entstehende gerichtete System bildet lineare Auflager für das Deckensystem, bei welchem schlanke vorfabrizierte Halbfertigteile – auch Gitterträger- oder Peter-Platten genannt – auf die Unterzüge aufgelegt werden.
Familienwohnen im Park (Haus G)
Das Haus G steht als einziges Haus der Bebauung auf dem Papieri-Areal allseitig im neuen Park. Seine gebrochenen Kanten lassen es schlank erscheinen, die vertikale Ausrichtung und die organische Form verbinden es optisch mit den umgebenden Bäumen.
Zwei über Eck angeordnete Hauseingänge auf der Südseite binden das Haus sowohl an die Stadtterrasse über dem Trafoplatz als auch ans Wegnetz des Parks an. Die beiden Zugänge münden in einer zweigeschossigen zentrale Eingangshalle, die zur Lifthalle und den Velohallen führt und von den BewohnerInnen als gemeinsame Lounge und Begegnungszone genutzt werden kann. In der Ecke zwischen den beiden Eingängen befindet sich ein kleiner abschliessbarer Gemeinschaftspavillon, der sowohl zur Eingangshalle und/oder zum Aussenbereich geöffnet werden kann.Auf der Galerie der Halle befinden sich zwei Jokerzimmer, die den Gästen oder zur temporären Nutzungen durch BewohnerInnen zur Verfügung stehen.
Auf der Nordseite zum Park liegt ein weiterer Zugang. Er ermöglicht die Entfluchtung im Brandfall von der Eingangshalle abzukoppeln und die südseitige Eingangshalle individuell für Gemeinschaftsanlässe wie Kindergeburtstage oder Hausfeste zu nutzen.
Das übrige Erdgeschoss und das erste Obergeschoss nehmen fünf grosszügige Maisonettewohnungen mit einem direkten Bezug zum Garten ein.
Auch die Wohnungen in den Obergeschossen sind mehrheitlich für Familien gedacht. Spezifisches Merkmal ist eine zentrale Wohnhalle um die sich die Zimmer organisieren. Die an der Fassade liegenden Loggien und die Küchen der Eckwohnungen, können der Halle oder dem vorgelagerten Balkon mittels faltbaren Verglasungen unterschiedlich zugeordnet werden. Sie funktionieren als autonomer Raum, als Nische der Wohnhalle oder als Aussenraum. So kann z.B. im Wohnbereich ein Apéro an der Kochinsel eingenommen oder im Aussenraum gekocht werden!
Abwechselnd angeordnete gebäudehohe Bänder aus Fenstern, Loggien oder Photovoltaikelementen gliedern die Fassade in der Vertikalen. Eine ausgeprägte Ausbildung der beiden Sockelgeschosse verankert das Haus mit dem Gartenraum. Vier an den Ecken des Dachgeschosses angeordnete bepflanzte Dacheinschnitte brechen die Kanten des Baukörpers auch in der Vertikalen und verbinden ihn ideel mit dem prägenden umliegenden Grünraum.
Das Tragwerk folgt wiederum dem Prinzip eines klaren, über alle Geschosse hindurchgehenden, ungestörten Lastabtrags, der in Kombination mit dem Einsatz vorfabrizierter Elemente eine äusserst hohe Wirtschaftlichkeit erzielt. Ziel ist es, dies mit einem einzigen hundertfach-wiederkehrenden Element zu lösen. Die wohnungstrennenden und das Gebäude massgeblich aussteifenden Hauptwände können aufgrund ihrer sehr einfachen Geometrie wiederum als kostenoptimierte vorfabrizierte Halbfertigteile geliefert werden, die als verlorene Schalungen vor Ort einfach mit Beton vergossen und gefügt werden können. Sämtliche Bauteildimensionen sind auf ihre Funktion hin optimiert: Sowohl die Wände als auch die wandartigen Pfeiler erfüllen mit 20cm neben den statischen auch die Anforderungen an den Brand- und Schallschutz. Die aus dem statischen Ansatz resultierenden, kurzen Deckenspannweiten ermöglichen den Einsatz sehr schlanker Betondecken – was schlussendlich nicht nur der ökologischen, sondern auch der ökonomischen Nachhaltigkeit in grossem Masse zugutekommt.