2016
Projektinfos

Studienauftrag: 2016
Bauauftraggeberschaft: Elektrizitätswerke des Kantons Zürich (EKZ)
Mitarbeit: Michael Nötzli, Jan Bruhin

Urbanes Wohnen an der Sihl

Nach der Eingemeindung von Wiedikon wurde die Stadt ab Ende des 19. Jahrhunderts vorwiegend mit einem ordnenden Strassenraster und mit Blockrandbebauungen erweitert. Auch das Geviert Schöntalstrasse, Hallwylstrasse, Weberstrasse wird durch eine mehrheitlich geschlossene Bebauungsstruktur charakterisiert. Das unbebaute Grundstück am Stauffacherquai tritt als Brache in Erscheinung. Durch die direkte Lage an der grossmassstäblichen Stadtkante des Sihlraums (Stauffacherquai) und im gewerblich geprägten Quartier (Schöntalstrasse) ergeben sich im selben Block sehr unterschiedliche Qualitäten des StadtraumsDie vorgeschlagene Bebauung auf den beiden Grundstücken reagiert auf die unterschiedlichen städtischen Situationen mit situationsspezifischen Baukörpern und unterschiedlichen Wohnformen.

Die Lücke in der durchgehenden Stadtfassade an der Sihl vom Hauptbahnhof bis zur Sihlhölzlibrücke wird mit einem städtischen Wohn- und Geschäftshaus komplettiert. Der Baukörper übernimmt architektonische Elemente der benachbarten prägenden Bauten an der Sihlhölzlibrücke, tritt aber als eigenständiger Stadtbaustein in Erscheinung. Die symmetrische Gliederung mittels einem axialen Hauseingang, verglasten Erkern und einem überhohen mittig angeordneten Dachaufbau verstärken diese Wirkung. Die vier Wohnungen pro Geschoss sind zum Hofraum und zur Sihl orientiert. Alle Wohnräume sind entlang des Stauffacherquais angeordnet. Verglaste Erker oder grosse Eckfenster stärken den räumlichen Bezug zum Sihlraum und lassen die Bewohner diesen auch in seiner Tiefe erleben.

Der starken Belastung durch Lärmimmisionen am Stauffacherquai wird durch die Möglichkeit einer hofseitigen Belüftung und durch lärmabgewandte Balkone begegnet. Die Balkonschicht kann bei den sihlseitigen Wohnungen durch das Wegfalten der raumhohen Fenstertüren zu einer grosszügigen Sommerveranda erweitert werden. Die Einführung eines hofseitigen Schaltzimmers erlaubt den Wohnungsmix von 2.5–4.5 Zimmer flexibel zu variieren.
Das Haus soll konventionell in zweischaliger Massivbauweise erstellt werden. Um im Grundriss die Flexibilität zu wahren werden nur die Kern-, Wohnungstrenn- und Fassadenwände tragend ausgebildet. Die verputzten Fassaden mit grossformatigen Fenstern und durchlaufenden Fenstergesimsen treten in einen Dialog mit dem benachbarten markanten Baublock Manessestrasse/Stauffacherquai. Tragböcke, zusammengesetzt aus vorfabrizierten Betonstützen und -trägern, bilden zusammen mit vorfabrizierten Deckenplatten eine primäre Tragstruktur. Der durchgängig gleiche Achsabstand, die modular angeordnete Medienschächte, die Betonzylinder zur Aufnahme von Innentreppen und die hofseitigen Erschliessungstürme erlauben eine maximale vertikale und horizontale Flexibilität um in der Planung und in der Zukunft auf ändernde Ansprüche an Wohnen und Arbeiten zu reagieren. Je nach Bedarf kann eine Raumschicht mit Zimmern und Nasszelle ausgestattet oder als Wohn-/Essraum ausgebildet werden, um eine Grundrissstruktur zu ermöglichen, innerhalb derer sich verschiedene Wohnungstypen organisieren lassen.

Die im Aussenraum angeordneten Kaskadentreppen führen von der Strasse durch das Gebäude direkt auf die als Terrassen genutzten Dächer der rückwärtigen Gewerbebauten, die Umsteigepunkte zu den hofseitigen Wohnungserschliessungen und Treffpunkte für die Bewohner sind. Wendeltreppen führen von den Gemeinschaftsterrassen direkt hinunter in den gemeinsamen Hofraum. Jeweils über den Hauszugängen sind zusätzlich kleine, vielseitig nutzbare Orangerien angeordnet.

Das Tragwerk des «Wohnregals» ist als äusserst flexibler, aufgelöster und weitgehenst vorfabrizierter Schottenbau konzipiert. Dabei werden die Decken von im Achsabstand von 3.35 m gesetzten Stützen, die sich in der Ebene der Wohnungstrennwände befinden, den Schalenwänden der Wendeltreppen und den im Raum sichtbaren, zweiseitig auskragenden Doppelunterzügen, welche gelenkig mit Querkraftbolzen an die Stützen angeschlossen werden, getragen. Die Decken bestehen aus vorfabrizierten, in der Untersicht strukturierten Halbfertigelementen, welche nach der Montage im Verbund zu den Deckenelementen als auch den Unterzügen überbetoniert werden. Die vorfabrizierten Balkonelemente und die Ortbetonplatten bei den Liftkernen werden thermisch getrennt an die Verbunddecken angehängt.

Die Aussenhaut wird aus grossformatigen vorfabrizierten ausgedämmten Holzelementen gebildet. Die vorgehängten hinterlüfteten Faserbetonplatten widerspiegeln in ihrer Leichtigkeit die aufgelöste Struktur des Tragwerks und fügen sich durch die Haptik gleichzeitig in den mineralisch geprägten Stadtkörper. Die einfache Struktur, das durchgängig gleichbleibende Stützenraster und ein konsequent auf Vorfabrikation ausgerichtetes System führen zu einer grösstmöglichen Anzahl sich wiederholender Elemente – sowohl in der Tragkonstruktion als auch in der Fassade – und damit zu einer äusserst effizienten Bauweise. Alle Wohnungen sind zum Hof und zur Strasse orientiert. Die unterschiedlichen Kombinationsmöglichkeiten der Einheiten führt zu einer Vielzahl an Nutzungs- und Wohnvarianten: Gewerbe, Laden, Büro oder Wohnateliers im Erdgeschoss, unterschiedlich grosse, kompakte Wohnungen in den Obergeschossen und spezielle Dachmaisonettewohnungen als vertikaler Abschluss. Die Stimmung der Wohnungen wird durch die ablesbare Tragstruktur der Stützen und Unterzüge, sowie die fein gerippte Untersicht der Halbfertigelemente der Decke geprägt. Das zylinderförmige Element, das neben den Wendeltreppen vielfältige Nutzungen wie Garderoben, Arbeitsnischen oder eine Ankleide aufnehmen kann, bringt ein eigenständiges und somit identitätsstiftendes Element in jede Wohnung.

Zwei grössere Hallenbauten mit Sheddächern im Innenhof ermöglichen mit einer Raumhöhe von über fünf Metern im Licht die Ansiedlung von klassischem Gewerbe. Die eingeschossigen Atelierbauten werden etwa 13 Meter stützenfrei von vorfabrizierten, z-förmigen Schalen überdacht, über nach Norden ausgerichtete Oblichtbänder fällt ideales Licht zum Arbeiten ein.